Presseerklärung vom 29.11.2020

Die bisherige Berichterstattung über die vorläufige Inhaftierung der Antifaschistin Lina ist geprägt von Vorverurteilungen und einem verzerrten, sexistischen Bild über vermeintliche Straftäterinnen.

Die Kriminalisierung linker Aktivist:innen durch bestimmte Medien und Ermittlungsbehörden ist kein Novum. Die Heraufbeschwörung einer Staatsgefahr durch “die Antifa” findet sich in vielen Berichten zu vermeintlichen “Linksextremisten”. So auch im vorliegenden Fall.

Nachdem Lina am 5. November in Leipzig vorläufig festgenommen wurde, überschlug sich die mediale Berichterstattung. Sie wurde zur “Chef-Chaotin” und quasi-Terroristin erklärt, implizit wurden ihr alle vermeintlich “linken” Straftaten im Umfeld von Connewitz und ganz Leipzig zugerechnet und das Bild einer Person konstruiert, die sich klandestin in den Untergrund absetzte, um vermeintliche Gewalttaten zu planen.

Jegliche persönlichen Informationen wurden ausgeschlachtet, um das Bild der “Kommandoführerin” zu zeichnen. Aus Perspektive der Solidaritätsgruppe ist das politisches Kalkül. So sagt die Pressesprecherin Helena Zimmermann: “Wenn der Besuch einer Demonstration und das wissenschaftliche Arbeiten zur akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen ausreicht, um einen vermeintlichen Radikalisierungsprozess zu belegen, beginnt die Delegitimierung und Kriminalisierung von antifaschistischem Aktivismus nicht erst dann, wenn
Straftatbestände greifen.”

Dafür spricht nicht zuletzt das Verhalten der Ermittlungsbehörden, wonach im Rahmen vergangener Ermittlungen immer wieder beschuldigte Antifaschist:innen mangels hinreichenden Tatverdachts aus der U-Haft entlassen werden mussten. Darüber hinaus wurden nicht selten polizeiliche Durchsuchungen hinterher für rechtswidrig erklärt und »kriminelle Vereinigungen« gemäß §129 StGB doch nicht gefunden.

Die Vielfalt und Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit wird grundsätzlich ausgeblendet. Vielmehr wird die Schablone der Extremismustheorie auf Antifaschist:innen angewendet, sodass eine Gleichsetzung zu rechten Terrorzellen die vermeintlich logische Schlussfolgerung ist. Damit wird das Narrativ des staatsgefährdenden Antifaschismus und im Ergebnis der Nährboden für einen weitreichenden Rechtsruck geschaffen. Denn die Zunahme rechter Gewalt und Bedrohung im
Rahmen eines globalen Rechtsrucks wird dabei nicht nur verschwiegen, sondern durch die Gleichsetzung mit antifaschistischem Aktivismus faktisch relativiert.

Dass es sich bei der vorläufig Inhaftierten um eine Frau handelte, führte schließlich dazu, dass sich die mediale Berichterstattung vornehmlich auf die Farbe der Fingernägel, die Länge des Rockes und die Körperfigur konzentrierte. Durch diese Konzentration auf weiblich-zugeschriebene Attribute wird das Bild der “weiblichen Unschuld” gezeichnet, das im Kontrast zum männlich konnotierten Vorwurf zu einem sexistischen Konstrukt der weiblichen Gewalttäterin wird.

Indem die Bundesanwaltschaft und die SoKo Linx gezielt Informationen und Ermittlungserkenntnisse an die Medien weiterleiten, wird zudem der Grundsatz der Unschuldsvermutung faktisch ausgehebelt. Die mediale und gesellschaftliche Vorverurteilung und die Kriminalisierung und Delegitimierung antifaschistischer Arbeit kann somit ihren freien Lauf
nehmen.

Wir fordern die Abschaffung des §129 StGB und die sofortige Freilassung
von Lina und allen antifaschistischen Gefangenen!